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Pleite, gestrandet und verzweifelt.

  • von Noah Borgard
  • 06 Aug., 2017

Um die folgenden 48 Stunden zu beschreiben reicht eigentlich nur ein Wort: Anarchie.Oder nein, vielleicht „Nervenzusammenbruch“. Oder „Psychothriller“. Oder sogar das Wort „Hölle“.Ach, ich kann mich nicht entscheiden, ich erzähle euch einfach mal die ganze Geschichte. Wäre ja sonst auch langweilig, oder?Und Entschuldigung, der Blog ist etwas lang geworden. Es ging nicht anders. Also schnappt euch euer Popkorn oder eure Flasche Vodka oder beides und ergötzt euch an meinem Leid. 

Zwei wundervolle Monate Bali lagen nun hinter mir. Zwei Monate voller unvorhergesehner Ereignisse, Abenteuer, toller Menschen, Zuckerwattenbäumen und Cupcakes pupsender Einhörner. Naja gut, letzteres vielleicht nicht aber trotzdem war ich alles andere als bereit meine neu gewonnene kleine Welt einfach so hinter mir zu lassen. Aber genau das verlangten die indonesischen Behörden von mir, da mein Visum dabei war abzulaufen.

Was hatte ich also zu tun? Richtig, mein Visarun stand an und ich hatte auch schon einen ausgeklügelten Plan geschmiedet. Ich würde am Wochenende meinen Arsch in ein Flugzeug schwingen, nach Singapur fliegen, die Stadt erkunden, Abends ausgehen und mich mit Nutten und Koks bewerfen lassen. Nein Spaß, ich bin artig aber diese Stadt faszinierte mich schon ein bisschen.

Da ich aber ein äußerst faules Individuum bin, wartete ich mit der Planung meines Eskalations-Wochenendes selbstredend bis einen Tag vor meiner Abreise. Faszinierende Sache, diese Fluggesellschaften. Je kurzfristiger man versucht etwas zu buchen, desto teurer werden die Preise. Jedes Kind weiß das, aber da ich nun mal ein naives, faules Dummchen bin starrte ich erst mal geschlagene fünf Minuten lang mit offenem Mund auf meinen Laptop. Die Preise waren vier mal so teuer, wie noch vor zwei Tagen. Nope, das kann ich nicht bezahlen. Die Nutten müssen warten.

So verbrachte ich also den Tag damit nach einer Alternative zu suchen. Oder besser gesagt 50 verschiedenen Alternativen. Ich studierte Google Earth wie ein Besessener, erstellte Listen und verglich Möglichkeit für Möglichkeit miteinander. Das ich nicht auch noch eine Excel Tabelle anlegte, war auch schon alles. Nichts funktionierte. Alles war entweder zu teuer oder ausgebucht oder ein Trip von 40 Stunden oder alles zusammen. Aus lauter Frustration fing ich an zu schreien.

„HOOOOLGER? Ist es okay, wenn ich erst meinen Laptop und dann mich im Pool ertränke?“

„Ist okay, aber pass auf, dass du nicht zu viel Dreck machst!“

Gut, Selbstmord war wohl keine Option.

Während ihr das hier lest, merkt ihr vielleicht eines: Faulheit reitet euch in die Scheiße hinein. Eine weitere Sache, die ich mir auf die Stirn tätowieren lassen sollte. Oder, wie es mir meine Freunde liebevoll tagtäglich um die Ohren schmeißen: „Laziness brought you to fucking Dili.“ Ich glaube, ich lasse mir das mal auf eine Leinwand drucken und einrahmen. Würde sich doch gut über der Couch machen, oder?

Aber ja, ganz Recht. „Fucking Dili“. Aufgrund meines exorbitant epochalen Intellekts der vergangenen Tage blieb mir nur noch fucking Dili als mögliche Reisedestination und ja, ich werde in diesem Blogeintrag oder besser gesagt mein ganzes Leben lang über diesen einen bestimmten Ort nur noch als „fucking Dili“ referieren. So, als wäre das der richtige Name für dieses Tor zur Hölle. Zumindest wäre es akkurat. Ich glaube, ich schreibe der Regierung mal einen Brief zu dem Thema.

Um Fucking Dili ein mal kurz zu erklären: Fucking Dili ist die Haupstadt von Timor Leste. Eine Insel, die etwa 2 Stunden von Bali entfernt und beinahe direkt über Australien liegt. Sie war erst in der Hand der Portugiesen, dann der Indonesier und nach einer… nun sagen wir mal weniger friedvollen Revolution wurde sie schließlich unabhängig. Und mit weniger friedvoll meine ich, dass die Indonesier in ihrer liebreizenden Art die komplette Insel abfackelten. Und glaubt mir, fünf Sekunden nachdem meine Füße „Timor-lestischen Boden“ berührten, wollte ich exakt dasselbe tun.

Die Landessprache dort ist Portugiesisch. Oh, nein wartet, sie sprechen auch noch indonesisch. Oh, und Chinesisch. Oh, und auch noch irgendeine andere Knöttersprache, die keine Sau versteht. Außerdem ist die Landeswährung der US Dollar. Man sieht: Ein wundervolles Kuddelmuddel.

Jedenfalls blieb mir nun nichts anderes mehr übrig, als meinen Flug nach „fucking Dili“, sowie ein exorbitant überteuertes Hotelzimmer zu buchen. (Auf der gesamten Insel gibt es nur zwei Stück und das war das einzige mit W-Lan) Für zwei Tage. Weil hey, wenn ich schon für ein Flugticket zahle, will ich auch etwas von der Insel sehen.

Nichts desto trotz redete ich mir ein, dass diese ganze Misere ganz ganz toll werden würde. „Huii, das wird ein Abenteuer! Ich erkunde die Welt!“

Angekommen auf der Insel wollte ich mich dafür erschießen. Während der ersten Stunde des Fluges presste ich noch mit der vollkommen uneingeschränkten Begeisterung eines Kindes meine Nase gegen das Flugzeugfenster und hätte mir am liebsten in die Hose gemacht, weil der Anblick all dieser Inseln so unfassbar faszinierend und schön war. „Da will ich hin! Oh und das sieht wunderschön aus! Und was ist das wohl für eine Inselgruppe?“ Doch all das wandelte sich nach und nach in: „Oh, ist das ein Plastikstrudel?“ und „Wurden hier Atombomben gezündet?“

Kleine Fußnote nebenbei: Herzallerliebster Präsident Trump, sollten sie dann irgendwann doch einmal auf dieses rote Knöpfchen drücken wollen, dann nehmen sie doch bitte Fucking Dili in’s Visier. Bittedankeschön.

Die Landschaft wurde immer brauner und trostloser und mit fucking Dili war dann schließlich

die Krönung dieser attraktivitätsbehinderten Topografie erreicht. (Ja, attraktivitätsbehindert ist tatsächlich ein Wort)

Mit das erste, was ich aus dem Flugzeugfenster erblicken konnte, war ein Burger King. Eine funktionierende Infrastruktur sucht man vergebens aber wenn man mal Lust auf in ein Burgerbrötchen gepresste Tierabfälle hat, ist fucking Dili die richtige Adresse. Schließlich gibt es dort fünf dieser prachtvollen Gastronomieeinrichtungen direkt nebeneinander.

Der Flughafen bestand aus einer Hütte, die nicht viel größer als der Burger King nebenan war und ich muss zugeben, dass ich das anfangs noch ganz süß fand. die Tapete hing von Decken und Wänden und ich glaube dass dort das letzte mal im Jahre 1850 nass durchgewischt wurde. „Wird schon alles nicht so schlimm werden“, redete ich mir ein. „Das wird ein Abenteuer!“, versicherte ich mir noch ein mal selbst.

Mit federndem Schritt ging ich auf die nette, griesgrämig dreinschauende Dame zu, die für das Visum verantwortlich war. Sie sah meinen Reisepass an, als hätte sie so etwas noch nie in ihrem Leben gesehen und warf mir misstrauische Blicke zu.

 

„Pfift tam an Dili?“

 

„I’m sorry, what?“

 

„Pfift teime an Dili?“

„I am so sorry, I don’t know what you mean.“

 

Für einen kurzen Moment dachte ich, sie würde mir einen Kühlschrank verkaufen wollen, doch schließlich kam ich darauf, was sie meinte.

 

„Aaaah! You mean first time? Yes, it’s my first time on fucking- äääh on Dili.“

 

Mit dem eisernen Blick eines Adlers starrte sie immer wieder mich, dann meinen Reisepass und dann eine an der Wand klebende Liste an. Sie zeigte auf das Wort „Germany“ in meinem Reisepass.

 

 „You pfom Swieden?“

 

„No, I’m from Germany.“

 

„Dähnmark?“

 

„No, GER-MA-NY“

 

„Ger.. mäh… nie… it’s kuntrieh? where?“

 

„Oh mein Gott, sie weiß nicht, dass Deutschland ein Land ist.“

Mir fingen an die Schweißperlen von der Stirn zu tropfen. Würde ich diesen beknackten Stempel nicht bekommen, wäre ich am Arsch.

 

Zum Glück bekam ich aber eben jenen so heiß ersehnten Tintenklecks dann schließlich doch in meinen Reisepass gedrückt, nachdem ich bei dem Versuch zu erklären, was denn „Germany“ wäre, bereits meinen Kopf eine halbe Stunde lang vehement gegen die Wand schlug.

Mit wallenden Kopfschmerzen verließ ich schließlich die heruntergekommene Flughafenhütte. Es war unfassbar heiß draußen und als mich plötzlich die Einheimischen vorm Gebäude erblickten, hätte man beinahe eine Stecknadel fallen lassen können. Ich wurde angestarrt, als wäre ich ein Außerirdischer. Innerhalb von Sekunden war es vorbei mit der Stille und mindestens 70 fast schon schwarz gebrannte Einheimische fingen an auf mich einzubrüllen. „TAXI TAXI TAXI“. Alle fünf Sekunden kam jemand auf mich zu, wollte bereits meine Tasche nehmen und mich in ein Taxi zwängen. Die Leute prügelten sich fast schon um mich. Verzweifelt hielt ich Ausschau nach irgendjemandem, der so aussah, als würde er ein Fahrer meines Hotels sein, da es so abgesprochen war, dass mich jemand abholen würde. Fehlanzeige. Der erste Anflug von Panik fing an sich in mir breit zu machen. „Alles halb so schlimm, ich komm schon irgendwie in’s Hotel!“, beruhigte ich mich selber und so fragte ich jemanden, wo ich denn meine indonesischen Rupiah in Dollar wechseln könnte. „Here not possible.“ bekam ich als Antwort.

BITTE WAS. Ich hatte ungefähr 15 mal am Flughafen Balis nachgefragt, ob ich mein Geld am Flughafen von fucking Dili wechseln könnte und bekam immer nur ein „Selbstverständlich“ als Antwort. Da stand ich also nun. Verschwitzt, verzweifelt, ohne auch nur einen einzigen Cent in der Tasche irgendwo im Nirgendwo und mein Handy funktionierte natürlich auch nicht. Ich war kurz davor diesmal wirklich eine Panikattacke zu schieben, als mich plötzlich eine nett aussehende ältere Dame ansprach. „Brauchst du Hilfe?“ Nennen wir die freundliche Dame doch einfach mal Martha.

Ich erklärte Martha meine Misere und versuchte dabei so ruhig wie möglich zu bleiben.

„Ja, es kommen nie Touristen auf diese Insel. Man kennt hier sowas nicht.“

Es sei denn, sie sind verzweifelt und dämlich, so wie ich.

Schließlich drückte sie mir 20 Dollar in die Hand und lächelte mich mit großen Augen an. „Hier, sieh es als Geschenk. Das sollte für ein Taxi und einen Shot Whiskey reichen. Den brauchst du.“

Liebe Martha, solltest du das hier irgendwann ein mal aus was für mysteriösen Gründen auch immer lesen, und es dabei auch noch verstehen, weil du aus irgendeinem äußerst unwahrscheinlichen Grund angefangen hast Deutsch zu sprechen: Du hast mich gerettet und dafür bin ich dir auf ewig dankbar. Du hast mir ohne Witz die Hoffnung an die Menschheit zurückgegeben.

Da ich mir nun glücklicherweise ein Taxi leisten konnte, entschied ich mich zu dem einzigen Taxifahrer zu gehen, der mich nicht anbrüllte und nahm schließlich Platz in seiner fahrenden Sardinenbüchse, deren Windschutzscheibe zu 95% mit schwarzem Panzertape überklebt war. Nur ein in etwa fünf Zentimeter großer Streifen am unteren Ende der Scheibe blieb frei.

Während ich also hoffte, dass der Fahrer es irgendwie schaffen würde, das Auto blind auf der Straße zu halten, sah ich mich um. Schotter, Staub, ein Hafen, hunderte von verrosteten Containern, heruntergekommene Hütten und ikonisch im Wind flatternde und an fahrenden Rollern befestigte Hühnchen waren der Ausblick, der sich mir präsentierte. „Don’t go swim! There crocodiles in water“, erwähnte der Fahrer beiläufig, während er versuchte mir in seinem gebrochenen Englisch fucking Dili zu erklären. Schön, Krokodile. Für den Hauch einer Sekunde dachte ich schon, es könnte besser werden. Mein Fehler

Wir fuhren an gigantischen Wahlplakaten und zwei großen „Palästen“ vorbei und mein Fahrer erklärte mir, dass das die bescheidene Behausung des Präsidenten von Timor Leste wäre und das er auch quasi die einzige Person wäre, die man wählen könnte. Also ernsthaft jetzt. Es gibt keine andere Person auf diesem Wahlzettel. Nicht nur, dass sich mir der Magen umdrehte, diese beiden Paläste zu sehen, während der Rest der Stadt beinahe in Schutt und Asche lag, die Tatsache, dass der Präsident gigantische Wahlplakate von sich aufhängte, obwohl er die einzige Person war, die man überhaupt wählen konnte, hatte einen solch bitteren Beigeschmack, dass mir mein anfängliches Lachen schließlich im Halse stecken blieb.

Am Hotel angekommen drückte ich dem Fahrer 10 von meinen 20 Dollar in die Hand. „Wow. Werd nicht zu überschwänglich mit deinem neu gewonnen Reichtum, Noah“, murmelte ich mir selbst zu.

Mein Hotel kostete 45 Dollar die Nacht und hatte den Charme einer heruntergekommenen Jugendherberge aus Schulzeiten. Sprich gar keinen. Meine Zimmertür wollte sich nicht richtig schließen lassen, es gab keine Fenster, keine frische Luft keine Handtücher und keine Seife. Dafür gab es aber eine Kakerlakenfamilie, die es sich in meinem Kopfkissen heimelig eingerichtet hatte, wie ich freudig in meiner ersten Nacht dort bemerken durfte. Dies ist ein ganz anderes Horrorthema, das ich nun nicht weiter beschreiben möchte. Ich lecke noch meine Wunden.



Da ich weder verhungern, noch bis an mein Lebensende die Böden des Hotels schrubben wollte, um meine dortigen Schulden begleichen zu können, fragte ich die Frau an der Rezeption, wo ich denn mein Geld wechseln könnte oder ob es so etwas wie einen Geldautomaten geben würde.

„It’s long weekend. Nothing open.“, bekam ich als Antwort. Ich konnte nicht anders als panisch zu lachen. Moment, der Geldautomat! Ja, der Geldautomat war meine letzte Hoffnung! Denkste. Schließlich fiel mir auf, dass meine Mastercard gesperrt war, weil mein Limit von 1000 Euro Aufladung für dieses Jahr bereits erreicht war. Ja, man durfte nur 1000 Euro pro JAHR auf dieser Karte haben, was mir gegenüber nie jemand erwähnt hatte. Und meine Sparkassenkarte funktionierte nicht, da diese nur für Indonesien freigeschaltet war.

Ich dachte kurz darüber nach heulend auf dem Boden zusammenzubrechen, meine Fäuste gegen den Asphalt zu schlagen und mal wieder „WARUM ICH?“ gen Himmel zu brüllen weil wenn es einen guten Zeitpunkt gibt einen Nervenzusammenbruch zu haben, wäre dieser nun erreicht aber stattdessen lachte ich. Ich wollte es nicht wahrhaben. Hm, was sind meine Optionen? Prostitution, einen Sugar Daddy finden und… das war’s. Ich sah kurz an mir hinunter. Gut, Prostitution war dank der letzten 15 Teller Nasi Goreng nun keine Option mehr.

Und so tat ich, was jeder verantwortungsvolle Erwachsene tun würde. Ich öffnete Grindr.

Für die Menschen, die unter einem Stein leben: Grindr ist eine schwule Dating App, die einem anzeigt, welcher perverse Vollidiot gerade so in der Nähe ist. Und nein, keine Bange, ich wollte mich definitiv nicht prostituieren und ich wollte auch ganz bestimmt keinen Sugardaddy finden. Ich wollte nur jemanden finden, der mir vielleicht helfen könnte.

Prompt sah ich zwei Kerle, die nur zwei Kilometern entfernt waren auf meinem Bildschirm auftauchen. Allem Anschein nach waren das auch die einzigen schwulen Kerle auf dieser Insel. Die Unterhaltung verlief in etwa so:

 

„Hey.“

 

„Hey.“

 

„Wie geht’s dir?“

 

„Gut, und dir?“

 

„IT’S THE FUCKING WORST. ICH BIN HIER ANGEKOMMEN UND ICH HABE KEIN GELD, WEIL ALLE BANKEN ZU HABEN UND ICH WEISS NICHT, WAS ICH TUN SOLL UND HILFE MIMIMIMI!“

 

Beide Kerle boten mir glücklicherweise sofort ihre Hilfe an und weil einer etwas weniger gruselig als der andere wirkte, verabredete ich mich mit ihm, um einen „Money Changer“ im Einkaufszentrum zu finden. Er wollte mich vor meinem Hotel abholen. Als ich also an der Straßenecke meines Hotels auf meinen Retter in der Not wartete (Ja, verdammt, ich weiß, wie sich das anhört), durfte ich bemerken, dass da auf ein mal zwei Kerle auf mich zukamen. Exakt die beiden, mit denen ich geschrieben hatte, wobei ich nur einem gesagt hatte, er solle kommen. „Toll, nicht mal fünf Minuten auf der Insel und schon steh ich als Schlampe da.“, dachte ich mir.

Die beiden kannten sich, hießen Pablo und Kay und die Situation hätte nicht noch unangenehmer sein können. Trotzdem fuhr ich schließlich mit beiden zum Einkaufszentrum. Wir suchten nach dem angekündigten Money Changer und fanden ihn auch. Da die Frau am Schalter allerdings eine (hier eine nicht jugendfreie Beleidigung nach Wahl einfügen) war, hätte ich dort durch das Wechseln meines Geldes mehr als die Hälfte davon verloren. Selbst Tränen halfen nicht ihr nicht vorhandenes Herz zu erweichen. Kay machte eine Bemerkung von wegen „Du kannst das Geld bei mir abarbeiten, zwinker zwinker“ doch ich lehnte sein Angebot dankend und äußerst angewidert ab. Traurig und verletzt verabschiedete er sich prompt von uns und ging zurück zu seinem Roller. Pablo ging auch. Allerdings zum Geldautomaten. Als er wieder zurück kam, drückte er mir 110 Dollar in die Hand. „Hier. Ich bin jetzt dein Money Changer. Gib mir einfach deine Rupiah und dafür hab ich dann schon etwas Geld, wenn ich das nächste Mal auf Bali bin.“

Ich hätte ihn küssen können. Pablo? Auch für dich gilt: Solltest du das hier jemals lesen und aus welchen Gründen auch immer auf ein mal Deutsch sprechen: Du hast mich gerettet!



Weil der Tag noch jung und wir hungrig waren, gingen wir zum müllbeladenen Strand, wo Pablo mich auf eine Pizza und ein Bier einlud. Ich sage es noch ein mal: Mein Retter! Wir unterhielten uns stundenlang, lagen in der Sonne (das einzig angenehme auf dieser verkackten Insel) und so wurde es doch noch zu einem annehmbaren Tag.

Zurück im Hotel angekommen, überkam mich die nächste grausame Erkenntnis. Mein Visum! Fuck, wie soll ich mein Visum auf Bali bezahlen? Für die, die es nicht wissen: Ein verlängerbares Touristenvisum kostet 35 Dollar am Flughafen.

Wie von der Tarantel gestochen rannte ich hinunter in den Innenhof des Hotels und versuchte dem Hotelangestellten meine Situation zu schildern, um schließlich eine der zwei gebuchten Nächte stornieren und so Geld sparen zu können. Außerdem wollte ich keinen weiteren Tag in diesem Hotel geschweige denn auf dieser Insel verbringen und es fühlte sich bereits so an, als wäre ich eine Woche lang von meinem geliebten Zuhause weggewesen. Mir wurde versichert, dass es kein Problem wäre früher auszuchecken und mir fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen. Okay, nächster Schritt: Flug umbuchen.

Ich glaube es wäre unsinnig an dieser Stelle noch ein mal zu erwähnen, dass alles, wirklich ALLES schief lief, was nur hätte schief laufen können. Und so könnt ihr euch sicher bereits schon denken, dass es natürlich nicht funktionierte meinen Flug umzubuchen. Und warum nicht? Die Website war fehlerhaft. Ich rief meine Eltern an und rauchte eine Schachtel Zigaretten nach der anderen, um meine nun nicht mehr vorhandenen Nerven zu beruhigen. Ihnen wurde dasselbe angezeigt. ERROR. Ich schrieb Pablo und fragte ihn, ob er probieren könnte meinen Flug umzubuchen. ERROR. Mit meinen Eltern am Telefon und dem Nervenzusammenbruch nahe, versuchte ich akribisch eine Lösung zu finden und nicht einfach einzuschlafen. Es war 3 Uhr Morgens. Schließlich entgegnete mir mein Vater: „Ich hab genug. Es gibt keine Lösung. Ich buch dir jetzt für morgen einen neuen Flug. So kannst du wenigstens beruhigt schlafen.“

Er hatte Recht. Das war die einzige Option. Mein Vater schickte mir mein neues Flugticket auf mein Handy und ich fiel schließlich tot in’s Bett, wo die Kakerlaken auf meinem Gesicht eine Party feierten.

Meine Mutter schlief allem Anschein nach nicht eine Sekunde lang. Ich glaube sie hatte die Panikattacke ihres Lebens.

Am nächsten Morgen stand ich in aller Frühe auf, versuchte meine Müdigkeit mit schlechtem Kaffee zu bekämpfen und ging zur Rezeption. Die Frau am Schalter hatte keine Ahnung, wovon ich redete. „Nein, du musst den vollen Betrag bezahlen.“

Ich war schlagartig wach. Bitte was? Ich erklärte ihr, dass ich bereits einen Flug gebucht und alles mit dem Hotelpersonal abgesprochen hatte. Sie bat den Kerl, mit dem ich geredet hatte herein und auf die Frage hin, ob das denn wahr wäre, sagte er allen fucking ernstes: „Ich habe den Kerl noch nie in meinem Leben gesehen.“

Ich bin ein netter, friedfertiger Mensch aber in diesem Moment war ich kurz davor die Rezeption und diesen Kerl auseinanderzunehmen. Aber nein, stattdessen atmete ich tief durch und erklärte im bestimmenden Ton noch ein mal, dass ich kaum das Hotel bezahlen könnte, wenn ich dort bleiben müsste, da nun mal keine meiner Kreditkarten funktioniert. Ich bekam folgende Antwort: „Nicht mein Problem.“ Spätestens da, sah ich nur noch rot. Wie gesagt, ich bin ein netter Mensch und würde mich sonst nie so benehmen, aber da war es mit der Nettigkeit vorbei.

„Es ist ihr fucking Problem, wenn ihr Hotelpersonal so unfassbar dämlich ist einem falsche Informationen zu geben.“

Sie versuchte mir in ihrem gebrochenen Englisch zu erklären, dass sie das gesamte Geld, was ich ihr noch Schulden würde, an booking.com überweisen müsse.

„BULLSHIT.“, entgegnete ich und schilderte ihr, wie Hotelbuchungen normalerweise funktionieren. Außerdem sagte sie mir noch fünf Minuten vorher, dass es auf dieser Insel so etwas wie Überweisungen gar nicht geben würde. Mein Gesicht war rot vor Wut. Wir diskutierten so noch geschlagene 20 Minuten lang, bis sie mir schlussendlich anbot nur die Hälfte der zweiten Nacht zu bezahlen und da ich keine Lust mehr hatte in die Tischkante zu beißen, willigte ich genervt ein. "Ich zahle die andere Hälfte von meinem Gehalt", sagte sie und wollte mir ganz klar ein schlechtes Gewissen einimpfen. Ehrlich gesagt glaube ich kein Wort davon. Wenigstens konnte ich aber nun so knapp mein Visum bezahlen.

Plötzlich stand Pablo vor der Tür, um mit mir zum Büro des Flugunternehmens zu fahren, über die ich den Flug gebucht hatte. Ich wollte versuchen meinen zweiten Flug zu stornieren.

 

„Was ist passiert?“

 

„Frag lieber nicht.“, entgegnete ich.

 

Im Büro angekommen übersetze Pablo meine Misere auf Portugiesisch.

„Sie hätten den Flug kostenlos umbuchen können aber den anderen Flug zu stornieren würde sie 80 Euro kosten.“

Der Flug kostete 60 Euro. Nach der Logik dahinter suche ich bis heute noch vergebens.

Ich überlegte kurz mich wieder aufzuregen aber ich war schlicht und einfach zu müde dafür. Stattdessen brachte mich Pablo schließlich zum Flughafen und drückte mir einen Kaffee in die Hand, an dem ich schließlich panisch lachend und in Embryonalstellung nuckelte. Als es darum ging einzuchecken passierte selbstverständlich das nächste Unheil. Die Angestellten konnten meinen Reisepass nicht scannen. Oder sonst irgendwas, keine Ahnung, auf jeden Fall lief mal wieder etwas gehörig schief und mir wurde gesagt, dass man mich so nicht in's Flugzeug einsteigen lassen könne. Pablo fing an zu lachen. „Was ist bei dir bis jetzt bitte nicht schief gelaufen? Das ist ja besser als jeder Kinofilm.“ 

„Freut mich, dass dich mein Leidensweg unterhält“, erwiderte ich mit einem müden Grinsen auf dem Gesicht. Zu allem Überfluss trug ich meinen Höllentrip über auch noch ein T-Shirt auf dem das Wort „Karma“ gedruckt war. Kein Witz. Mittlerweile bin ich der festen Überzeugung, dass dieses Stück Stoff verflucht wurde. „Sobald ich wieder Zuhause bin, gebe ich Rohmat das Shirt zum verbrennen und dann verstreuen wir die Asche über dem Vulkan.“, dachte ich mir.

40 Minuten später gaben die Angestellten am Flughafen schließlich auf und winkten mich einfach nur noch durch die Sicherheitskontrolle. Ich glaube sie hatten Mitleid mit dem Crystal Meth abhängigen Wrack, das da an ihnen vorbei kroch. Zumindest sah ich so aus.

Ich verabschiedete Pablo mit einer dicken Umarmung, bedankte mich dafür, dass er mir mein Leben gerettet hatte und ging schließlich zum einzigen Gate dieses Flughafens um auf’s Boarding zu warten. Endlich konnte ich durchatmen. Ich hatte zwar noch absolut keinen Plan, wie ich vom balinesischen Flughafen aus nach Hause zu Holger und Rohmat kommen sollte aber das war unwichtig. Ich wusste, dass - sobald ich balinesischen Boden unter den Füßen haben würde- nichts mehr schief gehen konnte. Ich hätte immer jemanden, den ich anrufen könnte und der kommen und mich aus der Scheiße holen würde. Und das, meine Freunde, ist ein unfassbar gutes Gefühl. Es bedeutet „Zuhause“.

Und genau das geschah. Ich küsste den Boden am Flughafen von Bali, bekam mein Visum, schaffte es Geld abzuheben und mich durch die Flut von Taxifahrern durchzuschlagen. Schließlich ist das hier nun erst mal mein Zuhause und ich weiß genau, wie die Dinge in meinem Zuhause ablaufen.

„HOOOOOLGER! Du wirst nicht glauben was mir alles passiert ist!“, rief ich, als ich zu meiner Haustür hereinkam.

 

PS: Jeder, der korrekt zählen konnte, wie oft das Wort „fucking“ in diesem Blog vorkam, bekommt ein goldenes Sternchen in’s Hausaufgabenheft geklebt.


von Noah Borgard 01 Feb., 2018
In den letzten Wochen und Monaten verbrachte ich meine Zeit damit, die mir zu Tode gebleichten Haare so sehr zu raufen, dass ich zwischenzeitlich darum bangte, eine Halbglatze zu bekommen. Ich arbeitete an meinen Videos, Kurzfilmen und an meinen Blogeinträgen. Mein Plan war es, meine Website und mein Content mal gehörig umzukrempeln. Ich wollte die Blogs auf Englisch übersetzen, mir die Möglichkeit schaffen regulärer zu posten, zwei Videos die Woche veröffentlichen und endlich ein mal meine geschriebenen Drehbücher verfilmen. Ich schrieb weitere Kapitel für mein Buch und um es mal exorbitant kitschig auszudrücken: Ich schrieb Kapitel für mein Leben. Zumindest versuchte ich das, immer mit der Hoffnung besagte Halbglatze um jeden Preis vermeiden zu können.
Kurz gesagt: Ich wollte die Dinge tun, die mich außer Schokoladenkuchen und grottenschlechten Kitschfilmen glücklich machen. Denn dieses ganze: "Oh, ich fange an, mich Dinge zu trauen" ist ehrlich gesagt recht neu und verdammt aufregend für mich. Mit jedem Blogeintrag und mit jedem Video geht mir also immer noch der Arsch auf Grundeis. 

Während ich früher Drehbücher und Kurzgeschichten schrieb, dachte ich mir immer, dass ich diese sowieso nicht umsetzen könnte. Denn in zwei Dingen bin ich außerordentlich gut: Es fällt mir leicht, Ausreden zu finden und ich bin ein unverbesserlicher Perfektionist. Doch dank meinen besten Freunden, die keine Möglichkeit verpassen, mir in den Arsch zu treten und mir unbequeme Wahrheiten an den Kopf zu werfen (Ich habe den liebevollen Kosenamen "Mr. Hamsterbacke" bekommen - Danke Martin) konnte ich nun keine Ausreden mehr erfinden. Es war an der Zeit meinen elenden Perfektionismus über Bord zu werfen und verdammte hacke, das ist ein äußerst ekelhaftes Gefühl für mich. Auf der anderen Seite war es unfassbar interessant zu sehen, wie ich mich mit jedem Blogeintrag und mit jedem Video veränderte. Auf ein mal überkamen mich neue Ideen für Videoschnitte, für Motive, für Geschichten, die ich so wohl vorher nicht umgesetzt hätte. Ich wollte immer alles besser machen. Ich wollte immer selbstbewusster werden. Und plötzlich wurde mir genau diese Möglichkeit auf dem Silbertablett serviert. Denn schließlich war ich nun von Menschen umgeben, die nichts lieber taten, als sich mit mir vor die Kamera zu werfen, als Schauspieler in meinem Kurzfilm mitzuspielen, mir Mut zuzusprechen und sich allgemein zum Affen zu machen. Das Stichwort ist Unterstützung. Man könnte sagen, die Menschen hier fungieren wie ein äußerst teurer BH.

Es gibt wohl kaum ein besseres Gefühl, als zu wissen, dass jemand einem den Rücken freihält. Das einzige, was das vielleicht noch toppen könnte, ist Pizza. Denn anders als bei Pizza, kommt mit der Unterstützung eine gewisse Verantwortung einher.
Ich trage die Verantwortung für das, was ich in‘s Internet hinausposaune und was ich entscheide zu teilen. Gleichzeitig trage ich eine Verantwortung gegenüber mir selbst, mich nicht von den Meinungen anderer beirren zu lassen und nicht zu versuchen nur die Erwartungen der anderen zu erfüllen, sondern mich vor allem auch um meine zu kümmern. Und das meine Lieben, kann eine äußerst stressige Sache sein. Zumindest ist sie das, was mein abgewracktes Gehirn betrifft. Und vielleicht, vielleicht auch nicht, ertappte ich mich dabei, wie ich mir klammheimlich eine Auszeit von all diesen Gedanken und Erwartungen wünschte. Und siehe da: Augenblicklich bekam ich meinen Zwangsurlaub verpasst. Der Ausdruck: "Be careful what you wish for" war wohl noch nie angebrachter.

Elektrizität ist eine heikle Sache auf Bali. So heikel, dass sie kurzerhand beschloss meinen Laptop auseinanderzunehmen und mich mit einem schwarz verkokelten Schrotthaufen zurück zu lassen.
Ich glaube, ich muss nicht großartig erklären, dass das wohl das schlimmste war, was hätte passieren können. Schließlich ist dieses Stück High-Tech Blech eine meiner Einnahmequellen und meine einzige Möglichkeit die Dinge umzusetzen, für die ich all die Zeit hier gearbeitet habe. Als wäre all das noch nicht genug, werde ich nun wohl auch das Finale meiner Lieblingsserie verpassen. Das Leben kann grausam sein.

Und kurz bekam ich so etwas wie eine Panikattacke. "Was, wenn das bedeutet, dass ich jetzt zurück nach Deutschland muss?"

Ich hätte nie gedacht wie unfassbar hart mich diese Realität treffen könnte. Denn augenblicklich wurde ich mit der Tatsache konfrontiert, dass sich absolut nichts an meinem Leben in Deutschland geändert hatte. Ich war eine andere Person, ja, aber all die Dinge, die ich hasste und die mich kaputt machten, lauerten nichts desto trotz immer noch auf mich. Diesmal nur 12.000 Kilometer weit entfernt. 12.270 meter und 98 Zentimeter um genau zu sein. Das einzige, was mir nun noch durch meinen Kopf schoss, war: "Ich kann das nicht - Ich kann das nicht - Ich kann das nicht." Alles, was ich habe und liebe, ist auf dieser Insel, die hier irgendwo im indischen Ozean liegt. Meine Klamotten, meine Freunde, meine Hoffnungen und Pläne. Die Vorstellung diesen Ort verlassen zu müssen, tat mehr weh, als alles andere, was ich mir hätte vorstellen können. Es wäre das Ende einer kitschigen und schmerzhaften Liebesgeschichte. Und mal wieder öffnete mir das meine Augen. Plötzlich schienen die Reisfelder wieder grüner und der Himmel wieder blauer zu sein. Selbst mein Tofu Burger fing an nach irgendetwas zu schmecken. (Wer hätte gedacht, dass Tofu nach irgendetwas anderem als nasser Pappe schmecken kann?)

Was ich damit sagen möchte, ist folgendes: Ich habe absolut keine Ahnung, wie ich es anstellen werde, aber ich werde mir das, was ich mir hier aufgebaut habe, nicht von einem teuren Stück Blech kaputt machen lassen. Natürlich muss nun ein neuer Laptop her und natürlich habe ich absolut kein Geld dafür. Für einen kurzen Moment dachte ich darüber nach, als Edelnutte in Singapur zu arbeiten aber im Anbetracht der Konkurrenz und der Arbeitszeiten, verwarf ich auch diesen Gedanken wieder. Fakt ist, ich brauche diesen Laptop. Fakt ist, dass ich das irgendwie hinbekommen werde. Denn ich bin ein Dickkopf. Gut, ich gebe zu, dass das Wasserstoffperoxid ein paar Löcher in meine Schädeldecke geätzt hat aber das, was noch übrig geblieben ist, ist immer noch genug, um mich nicht unterkriegen zu lassen.

Doch vor allem bin ich ein Dickkopf, der nicht auf die Menschen hört, die ihm Sätze, wie "Ich hab dir doch gleich gesagt, dass das nicht funktionieren wird", und "Die Realität ist halt nicht Eat Pray Love", an den Kopf schmeißen. Denn, was viele Menschen wohl nicht verstehen, ist, dass "Eat Pray Love" keineswegs eine harmonische wischi waschi Geschichte à la "Das Leben ist so einfach", ist. Es ist eine Geschichte, in der es darum geht, Probleme zu überwinden, um sein Glück zu finden. Und verdammt noch mal ich habe hier mein Glück gefunden. Das letzte, was ich tun werde, ist, das einfach so zurückzulassen.

Schlussendlich bleibt mir also nichts anderes übrig, als die Sache positiv zu sehen und darauf zu hoffen, dass sich das alles wieder regeln wird. Und in der Zwischenzeit werde ich mir aus meiner aufgezwungenen "Laptop-Auszeit" den schönsten Urlaub machen, den ich mir von den 15 Euro in meinem Portemonnaie machen kann, meine toten Haare in Conditioner einweichen und die Dinge tun, die ich liebe und bei all der Arbeit und bei all dem Grübeln vermisst habe. Denn wahrscheinlich, war es mal wieder genau das, was ich gerade brauchte. Einen weiteren Arschtritt.
Also liebes Leben und liebe Menschen: Ja, mein Leben IST Eat Pray Love. Vielleicht arbeite ich noch an dem "Love" Ding aber dafür gibt es ja schließlich Pizza und Brownies.

PS: Ich werde mir die größte Mühe geben trotzdem Blogeinträge von meinem Handy zu posten. Schließlich habe ich da noch eine Menge Themen, über die ich mir die Finger wund tippen möchte. 
Was die Videos angeht, werde ich weiterhin meine Filme drehen und mir - anders als vorher - Zeit und Ruhe damit lassen. Ich werde sie nur nicht schneiden können, was bedeutet, dass die Youtube Sache mal wieder auf Eis gelegt ist.
Nichts desto trotz habe ich einen Haufen Projekte und ich kann es ehrlich gesagt kaum erwarten sie irgendwann mit euch zu teilen.

PPS: Sorry Martin, ich werde jetzt wohl wieder jeden Tag bei euch im Haus herumliegen und euren Kühlschrank plündern.

von Noah Borgard 17 Jan., 2018

Ehrlich gesagt erinnere ich mich an diesen Moment, als wäre es gestern gewesen. Ich erinnere mich an jede noch so kleine Kleinigkeit. Ich weiß, dass ich ein weißes, übergroßes Tanktop und eine schwarze, lange Hose trug, obwohl mir arschkalt war. Ich weiß, dass ich Blumen auf meinem Küchentisch stehen hatte, die mehr nach Verwesung, als Frühling aussahen. Ich weiß, dass ich noch extra eine Kerze angezündet hatte, um der Wohnung ein Gefühl von Gemütlichkeit aufzuzwingen. Nikotin lag in der Luft und das feuchte Weinglas in meiner Hand hinterließ schwarze Ringe aus Zigarettenasche auf dem weißen Küchentisch. Ich erinnere mich daran, wie sich die Gedanken so laut in meinem Kopf überschlugen, dass ich kaum noch etwas hören konnte. Und auch, wenn ich mein Handy fest an’s Ohr presste, um die Worte meiner Mutter zu verstehen, hörte ich kaum, was sie sagte. Bloß ein weiteres Rauschen, versinkend in noch mehr Rauschen. Ein Vakuum im Vakuum. 

Doch einen Satz verstand ich: „Du wirst nicht glauben, wie schnell sich die Dinge von Heute auf Morgen ändern können.“ Und für einen kurzen Moment, war da kein Rauschen mehr. Nicht, weil dieser Satz sonderlich große poetische Ausmaße gehabt hätte sondern einfach, weil er mich wütend machte. Natürlich wusste ich genau, dass das keineswegs die Absicht meiner Mutter war. Alles, was sie wollte, war ihren panischen Sohn zu beruhigen und ihm einen Krümel kitschiger Hoffnung hinzuwerfen. Denn natürlich hatte auch sie Angst. Und trotzdem wurde ich wütend. Wie konnte sie nur so etwas sagen? Dinge verändern sich nicht einfach. Dinge passieren nicht einfach. Es ist nicht so, als würde ich am nächsten Morgen von Konfettiregen und einem halbnackten Ryan Gosling geweckt werden, aus dem Fenster gucken, und eine bunte Glitzerwelt sehen, in der auf ein mal alles okay wäre. Um ehrlich zu sein, fand ich diesen Spruch also über die Maßen dämlich. 

Tja. Und nun sitze ich hier und muss meiner Mutter und ihren kitschigen Anekdoten eins lassen: Sie hatte recht.

von Noah Borgard 30 Dez., 2017
Es ist mal wieder die Zeit des Jahres, in der man seinen Arsch an einen Tisch prügelt, um mit Menschen zusammen zu sitzen, die man nicht mal leiden kann, Flaschenöffner und Socken austauscht, sich voll frisst und ambitionierte Pläne für das neue Jahr schmiedet, die man sowieso niemals einhält.
von Noah Borgard 19 Dez., 2017

Es muss ja schließlich eine gute Idee sein, hiermit mein Liebesleben in der Öffentlichkeit breit zu treten. Oh, dafür ist es schon zu spät? Nun ja, dann habe ich ja nichts mehr zu verlieren.

Ich hatte nie ein gutes Händchen für Kerle oder naja... generell Menschen, was meine letzten Beziehungen auch so einwandfrei bestätigen. Allem Anschein nach fühlte ich mich immer zu den selben Typen hingezogen: Wuschelige Haare, älter als ich, 3-Tage Bart, gutaussehend, kreativ, selbstbewusst, beliebt und viel zu cool für diese Welt. Man kennt das aus diesen schmierigen Teenie-High-School-Komödien. Ich datete quasi den coolsten und bestaussehendsten Kerl der High School und alle Menschen, um mich herum fragten mich: "Wie hast du den nur abbekommen?" Und dazu sage ich nur eins: Danke dafür. Ich bin nicht Quasimodo. 

Einer der Gründe, warum ich diese Kerle wohl so attraktiv fand, ist glaube ich die Tatsache, dass ich nie der "coole Typ" der Schule war. Ich war so ziemlich das Gegenteil. Und nun, wo ich erwachsener war, die Pubertät beinahe schon wahre Wunder bei mir bewirkt hatte (Zumindest konnte man mich nun einwandfrei von einem Mädchen unterscheiden und ich wurde im Restaurant nicht mehr mit "junge Dame" angesprochen - es sind die kleinen Dinge im Leben) und ich ein besseres (jedoch immer noch kaum vorhandenem Selbstbewusstsein) besaß, konnte ich endlich auch ein mal zu einem der "Coolen" gehören. Entweder das, oder ich habe einfach generell einen unfassbar schlechten Geschmack, was Männer betrifft. Vor allem meine letzte Beziehung war alles andere als gesund, wie ich es hier vielleicht schon mal teilweise ganz versteckt am Rande erwähnt hatte.

Doch nach monatelanger, harter Therapie (oder auch einfach nur zu vielen Whitney Houston Songs), kann ich endlich sagen: "JA. Ich bin bereit für einen neuen Mann in meinem Leben!" Haha, ja ich weiß. Ich kann mich selbst auch nicht ernst nehmen. Aber ich bin über meine letzte Beziehung erfolgreich hinweg gekommen. Zumindest wünsche ich mir nicht mehr, dass der Kerl vom Bus überfahren wird. Ein geringfügiges "Angefahren werden" reicht mir da schon vollkommen. Und das ist doch schon mal ein Fortschritt, oder? Mal wieder - Es sind die kleinen Dinge.

Und auch, wenn es mir durchaus bewusst ist, dass es recht unwahrscheinlich ist, auf dieser Insel plötzlich die Liebe meines Lebens zu finden (An dieser Stelle ein Dankeschön an Elisabeth Gilbert, dass sie Millionen von Menschen diese kitschige Vorstellung in den Kopf gepflanzt hat) dachte ich, es wäre ein mal an der Zeit, neue Leute kennenzulernen. Vielleicht sogar einen Kerl. Vielleicht sogar einen homosexuellen Kerl. Und hey, wer weiß schon, was für interessante, neue, menschliche Individuen mir da wohl so über den Weg laufen werden?

So sehr ich auch damit kämpfe all diese idiotisch naiven Vorstellungen hinsichtlich der Begegnung mit der großen Liebe (Danke an Hollywood und Disney) über Bord zu werfen, ertappe ich mich doch immer wieder dabei, wie ich hier sitze und davon träume, von einem Jeep angefahren zu werden. Also wie in Eat Pray Love. Ich würde ganz dramatisch von meinem Fahrrad fallen, mich schließlich so sexy wie möglich und mit einem blutenden Knie in meinem sommerlichen Gewand auf dem von malerischen Reisfeldern umgebenen Kiesboden räkeln, von einem heißen Brasilianer verarztet werden, mich unsterblich verlieben, heiraten, 2 Kinder gebären und allen mit meiner zuckersüßen Lovestory auf den Sack gehen. Und. Es. Wäre. Wundervoll. Dabei spielt es auch gar keine Rolle, ob der Kerl nun einen Jeep oder einen Smart fährt oder ob er auf einem pink / weiß gestreiften Einhorn gegen mein Fahrrad galoppiert. Mir ist es auch egal, ob er Brasilianer, Schwede oder Italiener ist. Hauptsache irgendein männliches, homosexuelles Wesen gabelt mich da am Straßenrand auf. Oh nein, wartet. Das klang falsch.

Außerdem fällt mir gerade auf, dass ich gar kein Fahrrad fahre. Diese Traumvorstellung ist also schon mal zum Scheitern verurteilt.

Nichts desto trotz möchte ich einfach neue Männer treffen. Ob mit dramatischer Lovestory oder ohne. Schließlich habe ich eine neue Art und Weise erlernt mit Menschen umzugehen: Ich kann mittlerweile meinen Brechreiz kontrollieren, wenn sich jemand ausgesprochen dämlich benimmt und mich stattdessen entspannt in meinem imaginären Liegestuhl zurücklehnen, mein imaginäres Popkorn mümmeln und mir gespannt die Show ansehen. Nicht nur, dass das ein meiner Meinung nach viel gesünderer und lustigerer Weg ist, sich diesen Situationen zu stellen, es hat auch noch weitaus weniger Kalorien.

Im Laufe der letzten Monate durfte ich also einen Haufen der seltsamsten Menschen begegnen und dank meines nun kontrollierbaren Würgereizes - Tränen lachen. Ich weiß, "Würgereiz". Holt euren Kopf aus der Gosse, Kinder.

Und jetzt, wo ich so etwas wie ein Selbstbewusstsein gefunden habe und mich nicht mehr behandeln lasse, wie eine niedere Lebensform, bin ich schon ganz aufgeregt, wer und was mir da über die Füße stolpert.

Zumal ich hier auf ein mal die unterschiedlichsten Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen aus den unterschiedlichsten Ländern treffe. Wie aufregend! Nein.

Eins kann ich euch sagen: Menschen sind überall gleichermaßen gestört. Ist das nicht beruhigend?

Und ich habe sogar das Gefühl, dass sie sich hier auf Bali noch gestörter benehmen, als sowieso schon. Schließlich sind sie hier im Urlaub. Ich nenne es liebevoll das "Ballermann-Phänomen". Menschen trinken zu viel und belegen mit ihrem Verhalten einwandfrei, dass wir alle auch nur von Affen abstammen. Das gute am "Ballermann-Phänomen" ist, dass Menschen eindeutig mehr reden, sich wohler in ihrer Haut fühlen und irgendwann wieder gehen. Das schlechte am "Ballermann-Phänomen" ist, dass Menschen eindeutig mehr reden, sich wohler in ihrer Haut fühlen und irgendwann wieder gehen. Wenn ich hier also jemanden kennenlerne, läuft das immer auf zwei Weisen ab. Entweder es geht vollkommen in die Hose (Und nein, das meine ich nicht zwangsläufig im wörtlichen Sinne) und bin glücklich, dass sie bald wieder abhauen oder ich mag den Kerl und muss damit leben, dass auch er bald wieder abhaut. Auf einer Insel zu leben bringt also Nachteile mit sich. Zumindest was das Liebesleben betrifft. Das sieht man vor allem an der momentanen Vulkansituation. Die Insel ist wie leer gefegt, was bedeutet, dass der Vulkan vielleicht gerade heiß läuft, mein Bett aber eiskalt bleibt. Und ja, ich lasse diese Metapher nun ein mal kurz wirken, weil ich verdammt stolz auf sie bin.

Wie jeder normale Mensch, der mittlerweile im 21. Jahrhundert angekommen ist, benutze ich Dating Apps. Und diese sind wohl überall auf dem Planeten gleich. Man sieht eine Menge gesichtloser Kerle, die mit ihrem in Öl eingeriebenen Sixpack posieren und einem ungefragt Dick-Pics schicken. Schön.

Eine Sache, von der ich jedoch glücklicherweise mittlerweile verschont bleibe, sind Anfragen meine getragene Unterwäsche oder Socken zu verkaufen, weil ich mit meinen 22 Jahren wohl schon zu alt für diesen beruflichen Zweig der Karriereleiter bin. Auf der einen Seite bin ich glücklich darüber und auf der anderen Seite ärgere ich mich, mir solch eine finanzielle Goldgrube entgehen lassen zu haben.

Doch die Sache, die sich wohl niemals ändern wird, sind all die Kerle, die nichts lieber tun, als ihren Körper zur Schau zu stellen. Und wenn man auf einer Insel lebt, auf der 12 Monate lang so um die 30 Grad herrschen, bemerkt man schnell: Manche Männer finden immer irgendeinen Grund ihr T-Shirt auszuziehen. Und vor allem schwule Männer lieben es in Form zu bleiben und über ihren Körper zu reden. Womit ich leidergottes mal wieder die Arschkarte gezogen habe, da ich ein faules Wesen bin, dass gerne ein mal aus Frust heraus eine komplette Currywurstbude inhaliert und nicht den Sinn darin sieht, jeden Tag brav seine 350 Sit-Ups zu machen. Ich lebe gerne so, wie ich gerade Lust dazu habe, was auch mal bedeutet, dass ich nicht jede Kalorie meines Nasi Goreng's zählen möchte und mir definitiv schönere Wege vorstellen kann, meine Zeit zu verbringen, anstatt mich schweißtriefend im Fitnessstudio abzuquälen. Ich bin alles andere als dick oder pummelig und trotzdem fühle ich mich hier manchmal, als müsse ich umgehend meine Bewerbung an "The Biggest Loser" verschicken. Mir sind Körper relativ egal. So lange mein Gegenüber nicht aussieht, als würde er jeden Morgen Bockwürste im Speckmantel verspeisen, ist mir so gut wie alles recht. Stattdessen mag ich Gehirne. Also zumindest das, was man damit anstellen kann. Nur leider scheint das vielen Menschen nicht so zu gehen. Ich beschreibe einfach mal kurz und knackig zwei Dates, die ich in der vergangenen Zeit hatte. Und ich schwöre, dass diese Situationen so real sind, wie Lindsay Lohan's Alkoholproblem.

Date im Restaurant mit Proband Nr. 1 :

Ich: "Gott, ich liebe das Essen hier."

Proband: "Hast du eigentlich ein Sixpack?"

Ich: "Nein, wieso?"

Proband steht auf und geht.

Date in einer Bar mit Proband Nr. 2 :

Ich: "Möchtest du noch etwas-"

Proband: "Weißt du, wenn du mal trainieren gehen würdest, könntest du auch gut aussehen."

Ich stehe auf und gehe.

Ehrlich gesagt behandle ich Sixpacks so, wie viele andere Dinge in meinem Leben auch. Wenn ich damit keinen Käse reiben kann, ist es für mich uninteressant. Und wenn ich noch ehrlicher bin, finde ich sie äußerst unattraktiv. In 90% der Fälle ist ein Sixpack, wie ein Tattoo auf der Stirn, das sagt: "Ich gehe lieber in's Fitnessstudio, anstatt ein Buch zu lesen." Außerdem will ich mir bei gewissen Aktivitäten im Bett nicht noch bewusster gegenüber jeder einzigen Fettzelle meines Körpers werden. Und ich weiß, dass jetzt die Sixpackträger, die meinen Blog hier lesen ganz sauer sein und mir Kommentare schreiben werden, wie: "Du bist doch nur neidisch!", aber entspannt euch. Das ist nur meine Auffassung. 

Und da wir nun über die häufigen Dinge gesprochen haben, reden wir doch mal über die Dinge, die nicht existent sind. So etwas wie Monogamie z.B. Ich glaube ich habe noch nie in meinem Leben ein schwules Pärchen getroffen, das eine monogame Beziehung führte. Und ich habe auch noch nie ein schwules Pärchen getroffen, das glücklich darüber war. Was ich persönlich etwas seltsam finde. Vielleicht bin ich auch einfach nur altmodisch aber ich kann mir keine offene Beziehung vorstellen. Allein schon bei dem Gedanken, dass mein Freund eine sexuelle Kissenschlacht mit jemand anderem haben könnte, dreht sich mir der Magen um. Und trotzdem glaubte keiner der Kerle, mit denen ich eine Beziehung führte, an Monogamie, weswegen ich da anscheinend einem Fabelwesen aus der griechischen Mythologie ähnle.

Apropos mystische Fabelwesen: Ubud ist der Tummelplatz für die abgewracktesten Künstler und Persönlichkeiten, die man sich nur vorstellen kann. Was auch einer der Gründe ist, warum ich es hier so sehr liebe. Jeden Tag macht man die nächste skurrile Bekanntschaft. Nur was das daten angeht, gibt es hier dasselbe Problem, wie wohl sonst überall auf dem Planeten auch: Die Männer sind entweder hetero, vergeben, hetero und vergeben, haben einen Fußfetisch oder sind erleuchtete, vegane Yogi Hipster. Und ihr wisst, wie sehr ich meine erleuchteten, veganen, von der Welt und sich selbst davonrennenden, Drogen schnüffelnden Yogi Hipster liebe. Werde ich hier wieder etwas zu gemein? Vielleicht. Ja. Aber ich hab's geschrieben. Zu spät. Und Entschuldigung aber übergroße Leinenhosen und Turban sind nun wirklich nicht etwas, was meine Libido zum Kochen bringt.

Und um die Problematik noch etwas weiter zu schildern, sind hier zwei von vielen seltsamen Begegnungen, die ich in den letzten Tagen hatte.

Mystisches Fabelwesen Szenario Nr 1.

Es regnete. Also alles wie immer. Weswegen ich mich dabei wiederfand, wie ich meinen Jutebeutel fest umklammernd zu meinem Roller rannte. Und plötzlich traf ich den wohl heißesten und süßesten Kerl auf der Straße, den ich wohl jemals in meinem Leben gesehen habe. Wenn man das mit Ryan Gosling vergleicht, wisst ihr vielleicht in etwa, von welchen Dimensionen wir hier sprechen. Und er quatschte mich an. AUF DER STRASSE. Ich treffe sonst nie jemanden einfach so auf der Straße. Ich sage immer nur, dass ich die Kerlen im Rewe getroffen hätte, um nicht sagen zu müssen, dass ich sie auf Grindr aufgegabelt habe. Doch das hier war real. Und sogar im Regen. Das war romantisch. Meiner Meinung nach Titanic-Niveau romantisch. Für einen kurzen Moment dachte ich, mein nicht vorhandener Uterus wäre geplatzt, doch nahm dann all meinen Mut zusammen und fragte: "Hast du Lust einen Kaffee trinken zu gehen?" Die Antwort: „Lust auf meinen Schwanz?“

Wirklich, David? Wirklich? (Keine Ahnung, ob er wirklich so hieß aber er sah aus, wie ein David) Musstest du wirklich diesen Moment zerstören, David? UNSEREN MOMENT? Von meinen Hoffnungen und Träumen mal ganz zu schweigen. Eine Sekunde lang grübelte ich angestrengt über einer schlagfertigen Antwort nach, doch lachte stattdessen einfach nur, dachte kurz an meine einsame Zukunft mit 73 Katzen namens "Rolli", schwang erst lässig dekadent meine Haare und dann mein Hinterteil auf meinen Roller.

Mystisches Fabelwesen Szenario Nr 2.

Ein etwas älterer Herr fing plötzlich an mich im Supermarkt vor allen schockiert dreinblickenden Kassiererinnen auf drei verschiedenen Sprachen mit Komplimenten zu überschütten. Er war ein Journalist bei ABC, weswegen ich dachte, dass es zumindest interessant sein könnte eine Unterhaltung mit ihm zu führen. Naja das und er gab mir ein Bier aus. Ich meine, hallo? Freigetränke. Nur leider war er anscheinend schon betrunken. Oder auf Pilzen. Was ihn dazu verleitete immer vulgärer zu werden und immer weiter meinen Oberschenkel zu tätscheln. Was mich dazu verleitete so schnell wie möglich dort abzuhauen. Doch das sollte es nicht gewesen sein. Oh nein. Später am Abend stand ich am Kiosk und kaufte mir eine Schachtel Zigaretten, um NATÜRLICH ihm in die Arme zu rennen. Weswegen er plötzlich das Bedürfnis verspürte, mir eine exakte Beschreibung des Geburtsvorgangs seines Sohnes zu geben (inklusive Beschreibungen der damit verbundenen Exkremente), mich zu umarmen, auf die Straße zu zerren und mit seinem Bier in der Luft wedelnd zu brüllen: „DAS IST NOAH! ER IST STOCKSCHWUL UND STOLZ DARAUF UND ICH MÖCHTE ABSOLUT NICHT MIT IHM FICKEN!"Ich sag ja, es wird nie langweilig.

Einige von euch könnten sich jetzt denken: "Kann man es dem Jungen denn gar nicht recht machen, bei all den fabelhaften Anwärtern?" Und meine Antwort darauf ist folgende: Doch, kann man. Ich will doch einfach nur einen gut aussehenden, Bart tragenden, älteren, humorvollen, intelligenten, kreativen Kerl, der einen leichten Knacks in der Schüssel hat, einen normalen Körper besitzt, unglaublich gut im Bett ist, mit mir zusammen auf der Couch liegt und schlechte Filme guckt und den High School Musical Soundtrack auswendig kennt.

Habe ich damit gerade theoretisch teilweise meinen Ex beschrieben? Ja. Allerdings suche ich nach jemandem mit eindeutig weniger tiefenpsychologischen Problemen.

Solltet ihr also theoretisch einen schwulen oder an seiner Heterosexualität zweifelnden Ende 20 / Anfang 30 jährigen Kerl mit wuscheligen Haaren kennen, der die oben genannten Kriterien erfüllt und obendrein auch noch imstande ist Gefühle zu empfinden und an Monogamie zu glauben, so kidnappt ihn bitte, versucht einen Weg zu finden seine DNA zu klonen und setzt ihn in den nächsten Flieger nach Bali. Bittedankeschön.


von Noah Borgard 07 Dez., 2017
Das Leben hat einen dunklen Sinn für Humor. Vielleicht hatte ich das schon ein mal erwähnt, aber trotzdem ist es immer wieder faszinierend und auf eine verdrehte Art und Weise fast schon lustig zu sehen, was einem da plötzlich vor die Füße geschmissen wird.
von Noah Borgard 23 Sept., 2017

Man lernt so einiges, wenn man auf Reisen ist. Zuerst lernt man die einfachen Dinge:„Trinke niemals das Leitungswasser!“, „Fahr zum ersten Mal Roller!“, „lern ‚Bitte‘ und ‚Danke‘ in anderen Sprachen zu sagen!“ etc.

Dann wird es etwas komplizierter: „Lern die Kultur kennen!“, „Lern, wie du dich in der Öffentlichkeit zu verhalten hast!“ und „Lern die Mentalität zu verstehen!“.

Natürlich kann man all diese Dinge googlen und sich dementsprechend auf sein Abenteuer vorbereiten. Ich kann zum Beispiel googlen, welche Lebensmittel ich essen sollte und welche nicht. Ich kann googlen, wie ein Roller funktioniert und ich kann mir sogar einen kleinen Sprachführer auf mein Smartphone laden. Die eine Sache, auf die man sich allerdings nicht ganz so einfach vorbereiten kann und die gleichzeitig die wohl wichtigste ist, ist folgende: „Lern anzukommen“.

Man weiß nie, worauf man sich einlässt, bevor man seinen Fuß in unbekanntes Territorium setzt. Man kann sich vorher die Finger wund Googlen und trotzdem nie wirklich wissen, wie die Realität wirklich aussieht. Und genau das ist das angsteinflößende und gleichzeitig wunderschöne am Reisen. Einfach, all diese Dinge neu zu entdecken.

Selbstredend habe ich mir in etwa drei Milliarden Blogs und Zeitungsartikel durchgelesen und mir mehrere Dokumentationen angesehen, bevor ich nach Bali gekommen bin. Einfach, um zu wissen, worauf ich mich da einlassen würde, um dann später zu bemerken, dass all das der größte Quatsch war. Meinungen und Auffassungen sind verschieden und jeder einzelne Mensch sieht die Welt aus ganz anderen Augen. Ja, das sage ich, obwohl ich hier meinen eigenen Blog zusammenzimmere und euch hiermit von meinen Reisen berichte. Meine Erfahrungen und Ansichten können sich komplett davon unterscheiden, was eine andere Person beispielsweise gerade hier auf Bali erfährt. Höchstwahrscheinlich sind sie das sogar und es ist gut, dass es so ist. Zumal wir dazu tendieren unserer Fantasie freien Lauf zu lassen, wenn wir solche Dinge sehen und lesen und uns die Dinge oftmals viel romantischer vorstellen, als sie es eigentlich sind. Jedenfalls tue ich das oftmals, wobei ich definitiv meine Lektion gelernt habe. Naja, so halb zumindest. Ich bin nun mal ein verträumtes, romantisches Etwas.

von Noah Borgard 07 Sept., 2017

Ja, ich habe mich allen ernstes dazu entschlossen mir eine Kamera vor’s Gesicht zu halten und den Mist online zu stellen. Und ja, ich fühle mich kolossal unwohl damit. Was glaube ich auch genau der Grund dafür ist, warum ich hier dieses dämliche Vorwort überhaupt schreibe.

Warum ich plötzlich einen Vlog gemacht habe? Einfach, weil ich mal etwas tun musste, wovor ich Angst habe. Schließlich ist es die beste Therapie, sich seinen Ängsten zu stellen. Ganz nach dem Prinzip: "Du hast Höhenangst? Ab auf die Achterbahn!" Und genau so fühle ich mich. Wie auf einer Achterbahn. Verdammt. 

Aber wie gesagt, das war einfach eine Sache, die ich tun musste, um mich selber ein mal neuen Herausforderungen zu stellen und etwas von den Dingen zu tun, die ich wirklich mag. Nämlich Videos zu machen und zu schneiden.

Als Kind habe ich zusammen mit meinen Freunden die dämlichsten Filme gedreht und sogar teilweise hochgeladen und es war mir auf gut Deutsch gesagt scheiß egal, was andere davon halten könnten. Weil ich halt einfach noch ein Kind war. Und genau das ist eine Eigenschaft, bei der ich gerade dabei bin, mir sie sehr hart zurück zu erkämpfen

Schließlich war es genau dasselbe mit dem Blog. Ich hatte unfassbare Angst davor etwas von mir in’s Internet hinauszuposaunen aber siehe da: Ich liebe es und ich könnte nicht noch süßere Rückmeldungen von euch bekommen. (Puh, Glück gehabt!) An dieser Stelle ein mal Danke dafür! Ihr wisst gar nicht, wie viel mir das bedeutet.

Zu Vloggen ist einfach erst mal nur ein Experiment für mich. Wer weiß, vielleicht tue ich das ja häufiger. Vielleicht auch nicht. Keine Ahnung. Auf jeden Fall ist es erst mal schwer mich daran zu gewöhnen meine Visage fast schon nonstop auf meinem dreckigen Laptop zu sehen. Gott, ab einem gewissen Punkt ging ich mir exorbitant selbst auf die Nerven. Trotzdem kann ich nicht leugnen, dass ich nicht ziemlichen Spaß dabei hatte das ganze Ding zu schneiden.

Viele werden jetzt sagen: „Komm mal wieder runter, es ist nur ein Video!“ Und sie haben Recht damit. Wieder ein mal eine Sache, die ich mir auf die Stirn tätowieren lassen sollte. (Gott, es wird langsam voll da oben) Trotzdem ist es anfangs gar nicht so einfach den Mut zur Hässlich- und Dämlichkeit irgendwo auszugraben. (Vor allem, wenn man sich mal diese Roller-Szene anguckt)

Zumal da wieder diese Sache mit der Perfektion ist (ihr erinnert euch vielleicht), die einen den Gedanken in den Kopf pflanzt, dass das ganze Video so aussehen müsste, als wäre es von einem berühmten Youtuber, der das ganze schon seit Jahren macht. Aber nein, dieser Vlog ist ein einziges, peinliches Chaos. Die Kamera stellte nicht scharf, das ganze ist wackelig as fuck, ich hatte kein Mikro (Jahaa, ich werde mir mal eins zulegen), ich fühlte mich sichtlich unwohl dabei mich selbst zu filmen und gackere die meiste Zeit wie ein kleines Kind. Klingt doch toll oder?

Und wisst ihr was? Ich glaube genau so sollte das irgendwie sein. Schließlich wollte ich ehrlich sein.

Außerdem ist das ganze Ding (mal wieder) viel zu lang geworden aber das liegt einfach daran, dass es so gesehen zwei Vlogs sind. Aber ich dachte, ich hau jetzt einfach mal alles raus, was ich an Video habe und bringe es hinter mich.

Für die, die meinen letzten Blogeintrag schon gelesen haben, ist die Story wohl nichts neues. Aber vielleicht habt ihr ja trotzdem Lust euch das Chaos ein mal anzusehen.

 

So, genug mit all den Entschuldigungen und Erklärungen und (ich hoffe) viel Spaß beim Gucken.

von Noah Borgard 04 Sept., 2017

Ubud ist ein Wort, das aus dem Balinesischen „Ubad“ abgeleitete wurde und so viel wie „Medizin“ bedeutet. Ja, ernsthaft, es bedeutet Medizin. Zumindest, wenn man es ein mal wörtlich übersetzt. Fragt man einen Balinesen nach der Bedeutung, bekommt man folgende Antwort: Ubud ist die Medizin gegen alles Schlechte. Ubud lässt dich wieder Glück finden.

Als ich diese Beschreibung das erste Mal hörte, schossen mir buchstäblich ein paar Tränen in die Augen. Ja, genau das ist es. Meine Medizin. Zumindest war es das bis vor ein paar Wochen. Um mal vollkommen ehrlich zu sein, fing Bali an mir gigantisch auf die Nerven zu gehen. Nicht, weil ich es nicht mehr aus vollem Herzen lieben würde, sondern weil die Hochsaison anfing und die Straßen, Hotels, Restaurants und Yoga-Studios mit so vielen Menschen füllte, dass es beinahe unmöglich war das Haus zu verlassen, wenn man nicht stundenlang im Stau stehen und sich an den Menschenmassen vorbei prügeln wollte. Es wurde so viel, dass ich sogar eine Nummer ziehen musste, um einen Tisch in meinem Lieblings-Imbiss zu bekommen. Ernsthaft. Diese Bastarde haben mir einen der letzten Plätze genommen, wo ich mich rundum wohl fühlte und entspannen konnte, während ich doch einfach nur im besten Curry baden wollte, dass die Welt je gesehen hatte.

Die Balinesen wurden sichtlich genervter (Wer könnte es ihnen auch verübeln, bei all den respektlosen Vollidioten, die nun die Straßen zierten) und Ubud versank im Chaos. Ab einem gewissen Punkt hatte ich das Gefühl ganz Frankreich und Deutschland hätten sich an diesem Ort vereint, um die Stadt gemeinsam, bewaffnet mit Crocs und Selfiesticks, in Schutt und Asche zu legen. Es wurden Partys gefeiert, die bis zum Morgengrauen andauerten, betrunkene Asis gröhlten und pöbelten durch die Straßen und sogar mitten durch die schlammigen Reisfelder und beinahe jeder Zweite schien seine Klamotten im Hotelzimmer vergessen zu haben. Es schien, als hätte sich ein mystisches Portal zum Ballermann geöffnet.

 

Es machte mich wahnsinnig. Jedes Mal, wenn ich einen Touristen sehe, der ohne Shirt die Innenstadt rauf und runter läuft, würde ich ihm am liebsten einen Pulli in’s Gesicht pfeffern. Es ist ja schön und gut, wenn du dein in Kokosöl eingeriebenes Sixpack zur Schau stellen möchtest, mein Lieber, und daher nur im knappen Badehöschen herumläufst aber erstens sind wir hier in Ubud, was bedeutet, dass hier weit und breit kein fucking Strand ist und zweitens ist das ganze so dermaßen respektlos gegenüber den Balinesen und deren Kultur, dass man eigentlich nur noch schreien möchte. Ich glaube so gut wie niemand würde es bringen, halbnackt durch die Kölner Innenstadt zu laufen. Und warum? Weil es verdammt noch mal seltsam und unangebracht ist und man höchstwahrscheinlich von einer fuchsteufelswilden Oma mitsamt Kätzchen-Handtäschchen verprügelt werden würde. Warum also auf Bali, wo es selbst verpönt ist, sich ein Küsschen in der Öffentlichkeit zu geben? Ja, man ist im Urlaub, ja man sollte sich frei fühlen können aber zum Henker, steck wenigstens deine primären Geschlechtsorgane zurück in die Shorts. Das will nämlich auch Ich nicht sehen. Es sei denn, du bist Ryan Gosling. Dann tu dir keinen Zwang an.

Und nun kommen wir zu meinen Lieblingen: Die „von der Sonne geküssten Glittery-Gold Shakes“ trinkenden, veganen Yogi-Hipster, die auf diese Insel pilgerten, um ihre von den Göttern gepriesene Glückseligkeit zu empfangen und in Chia-Samen zu baden.

Es ist ja schön, dass ihr mutmaßlich Erleuchtung gefunden habt (oder einfach nur die richtige Drogendosierung) aber zum Henker, brüllt mir nicht ständig in’s Gesicht, ich solle Ganesha huldigen und mithilfe bekloppter Tanzeinlagen die schwarze Magie oder sogar Satan höchstpersönlich aus meinem Körper vertreiben. Das einzige, was ich damit vertreibe sind die Stechmücken und wahrscheinlich zutiefst verstörte Kleinkinder.

Ich freue mich so sehr für Menschen, wenn sie etwas gefunden haben, das für sie funktioniert, wirklich, aber reagiere allergisch, wenn mir jemand erklären möchte, dass sie den EINZIGEN Weg gefunden haben. Für dich funktioniert es ohne Unterwäsche, gekleidet im Rock und mit Holzkettchen zu chanten und mithilfe dämlicher Handbewegungen und Meditation böse Geister zu vertreiben? Das ist super. Vielleicht funktioniert es ja für mich mir eine Zwiebel auf den Kopf zu stecken, mich im Schlamm zu suhlen und lauthals „Spiel mir das Lied vom Tod“ zu summen und trotzdem klatsche ich dir besagte Zwiebel nicht ständig mitten in’s Gesicht.

Entschuldigung, ich hasse schon wieder. Tief durchatmen, Noah. Tiiiief durchatmen.

Lange Rede kurzer Sinn: Ich musste mal raus aus Bali, weil es sich irgendwann einfach nicht mehr wie „Bali“ anfühlte und ich nun wirklich keine Lust hatte weiteren betrunkenen, australischen Gentlemen auf der Straße zu begegnen, die sich mit mir prügeln wollten oder mit ansehen zu müssen, wie die Balinesen buchstäblich anfingen um ihr Zuhause zu fürchten. Durch mein Visum war ich sowieso gezwungen mal wieder das Land zu verlassen und ehrlich gesagt konnte mir das nicht gelegener kommen. Das wird jetzt ekelhaft spirituell klingen aber durch all das Chaos schien sich die gesamte Energie Ubud’s zu verändern und aus „Medizin“ schien „Gift“ zu werden. Jedenfalls vorerst. Somit war ich relativ froh einen Visarun vollführen zu müssen und dadurch mal etwas anderes von der Welt zu sehen. Welches Fleckchen suchte ich mir also aus? Trommelwirbel… Koh Samui! Naja und Koh Phangan. Und Koh Tao. Eine Inselgruppe im Golf von Thailand, die mir traumhafte Strände, Ruhe und Sonnenschein versprach. „Koh Samui“ bedeutet so etwas, wie: „Sicherer Hafen“. Fragt man mich also nach der Bedeutung bekommt man folgende Antwort: Es ist mein sicherer Hafen vor dem Touri-Wahnsinn.

von Noah Borgard 21 Aug., 2017

Wie vielen Menschen begegnen wir jeden Tag? Wie viele Charaktere, wie viele Geschichten, wie viel emotionaler Ballast und wie viel Wahnsinn läuft da jeden Tag an uns vorbei, während wir einfach nur zum Supermarkt gehen? Und die wichtigste Frage: Wie viele von diesen Menschen haben das Potenzial unser Leben zu verändern? Die Antwort: Jeder einzelne. Ganz schön angsteinflößend, oder? Dabei geht es gar nicht um große Gesten oder einschneidende Erlebnisse. Ein simples Lächeln kann uns schon den Tag retten oder sogar auch ruinieren. Ein simples „Hallo“ kann die Tür zu etwas unfassbar wundervollem öffnen oder uns kaputt machen.

Manchmal frage ich mich, wie oft ich wohl schon an meiner noch unbekannten besten Freundin / bestem Freund oder der Liebe meines Lebens vorbeigelaufen bin, ohne es überhaupt zu merken, geschweige denn die Person überhaupt wirklich gesehen zu haben. Schließlich begegnen wir hunderten von Menschen jeden Tag (Es sei denn man liegt mal wieder auf der Couch, wälzt sich in seiner Pizza und geht seiner Netflix-Sucht nach) und ab einem gewissen Punkt, scheint es so, als würden wir sie gar nicht mehr wahrnehmen. Sie sind eine natürliche, unausweichliche, jedoch oftmals unwichtige Erscheinung, eingefügt in die Landschaft, der wir uns jeden Tag ausliefern. Würde ich mir darüber Gedanken machen, wer all diese Personen sind, denen ich jeden Tag begegne, würde ich zweifelsfrei Gaga werden. Wer nicht? Doch trotz alledem schaffen es manche von diesen Personen irgendwie in unser Leben zu kommen und alles auf den Kopf zu stellen, wohingegen andere einfach weiter Fremde bleiben, die irgendwann ein mal vollbepackt mit Einkaufstüten, hastig an uns vorbeiliefen.

 

Menschen kommen und Menschen gehen. Wenn sie kommen, verändern sie oftmals unser Leben. Manchmal nur ein klitzekleines bisschen und manchmal Alles. Wenn sie gehen, hinterlassen sie oftmals Chaos und Verwüstung und in jedem Falle eines: Erinnerungen. Und letztendlich liegt es an uns, was wir mit diesen anstellen und wie wir lernen mit diesen umzugehen. Eine schöne Erinnerung kann plötzlich eine grausame werden, genauso wie eine grausame Erinnerung seltsamerweise auf ein mal eine schöne werden kann.

Ich mache das jetzt einfach mal an einem persönlichen Beispiel deutlich und nein, ich kann es auch nicht fassen, dass ich mein chaotisches Privatleben hiermit im Internet breittrete und wahrscheinlich nie wieder einen Job bekommen werde. (Liebe zukünftige Chefs und Chefinnen: Ignoriert das alles hier und stellt mich einfach trotzdem ein. Bittedankeschön.)

Natürlich hatte ich unglaublich schöne Erinnerungen an meinen Exfreund. Gemeinsame Urlaube, Silvester, warme Sommernächte, betrunkenes Tanzen, philosophische und kitschige Unterhaltungen um drei Uhr morgens et cetera, et cetera. Ich war verliebt. Verdammte Hacke, ich habe diesem Kerl sogar ein Buch gebunden, unsere Geschichten aufgeschrieben, Bilder eingeklebt und Erinnerungen wie Sand vom Urlaub und undefinierbare Klumpen vom Bleigießen mit reingepackt und es ihm schließlich geschenkt. Ein Buch voll mit Erinnerungen und ein paar leeren Seiten, um Platz für neue zu lassen. Mittlerweile möchte ich dieses Buch anzünden. Nicht, weil ich ein kindisches und verletztes Arschloch wäre, sondern weil viele dieser Erinnerungen rückblickend betrachtet eine dicke, fette Lüge waren. Als die Beziehung vorbei war, erfuhr ich schließlich ein paar Dinge und sah plötzlich all diese leuchtend roten Warnhinweise, die ich doch vorher so gekonnt ausgeblendet hatte. Die Unterhaltungen um drei Uhr Morgens bekamen plötzlich einen komplett anderen Unterton. Betrunkenes Tanzen war schlussendlich nur noch betrunkenes Tanzen und Silvester Nr.1 wurde zum „Start in’s Unglück“, wohingegen Silvester Nr.2 zum „Klimax des Unglücks“ wurde. Jap, der Kerl hat mich in so mancher Art und Weise kaputt gemacht. Ich erspare euch die Details. Aber somit wurden gute Erinnerungen zu schlechten.

Und um nun auf die grausamen Erinnerungen zu Sprechen zu kommen: Als Schluss war, durchlief ich wie jeder andere normale Mensch diese wundervoll berühmten „vier Phasen der Trauer“. Man geht von „Wie konnte das nur passieren?“ zu „Gott, ich vermisse ihn so sehr“ zu „Fick dieses Arschloch“ zu „Mir geht’s gut!“ zu „Gott, ich vermisse ihn so sehr“. Ich erfüllte jedes Klischee eines schlechten, romantischen „B-Movies“ á la Bridget Jones und lag bei meinen Eltern auf der Couch, während meine Mutter Disney Filme mit mir guckte, mir das Händchen hielt, mir Schokolade und Taschentücher reichte und mir liebevoll eine Flasche Wein nach der Anderen in die Hand drückte. Gott, Mütter wissen, was ihre Kinder brauchen.

Ich war nicht nur traurig, dass dieser Mensch nun nicht mehr Teil meines Lebens war. Ich war traurig, weil ich das Gefühl hatte ganz unten angekommen zu sein. Ich weiß, dass das nach ganz schrecklichem, weinerlichem Selbstmitleid klingt aber ich hatte nichts mehr. Keinen Freund, keine Freunde, kein richtiges Zuhause, nichts. Da war einfach niemand mehr. All diese Erinnerungen an all die Menschen, die mal in meinem Leben waren, kamen wieder hoch. All der Herzschmerz, all die Enttäuschungen und all das Vermissen.

Diese Erinnerung wurde schließlich zu einer Guten. Denn genau dieser Punkt brachte mich dazu mich in diesen Flieger zu setzen, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen und aufzuhören auf irgendetwas zu warten. Ich war wirklich kurz davor aufzugeben aber ich hab’s nicht getan. Diese Sache hat mein Leben auf den Kopf gestellt und mir beigebracht die Dinge anders anzugehen und mittlerweile denke ich mit einem Lächeln daran zurück, egal wie abstrus das auch klingen mag. Es musste so passieren.

Und was diese Menschen und flüchtigen Begegnungen angeht: Wer kommt rein und wer bleibt draußen? Wer entscheidet das? Wir selbst? Nein, ich glaube nicht. Okay, versteht mich nicht falsch, natürlich entscheiden wir selbst, wen wir mögen und wen nicht aber ich bezweifle ganz stark, dass wir es in der Hand hätten, was und wer uns da plötzlich über den Weg läuft. All diese Begegnungen sind das Resultat unzähliger Zufälle und der Handlungen anderer. Was hat diese Menschen dazu gebracht an ein und demselben Ort, zu ein und derselben Zeit zu sein? Manche würden es wirklich auf eine Hand voll unzusammenhängender Zufälle schieben. Andere hingegen würden vielleicht sogar das Wort „Schicksal“ in den Mund nehmen.

Ich habe mittlerweile keine Ahnung mehr, wie ich das nennen soll. In meinen mittlerweile fast 4 Monaten auf Bali bin ich dem ein oder anderen Menschen begegnet, der es geschafft hat „Reinzukommen“. Und das auf eine Art und Weise, die wie zugeschnitten auf mein Leben war. Es war fast so, als hätte ich diese Menschen treffen sollen. Als würde wirklich so etwas wie Schicksal existieren und als hätten mich all meine Erinnerungen und Erlebnisse genau an diesen Punkt geführt. Um zu lernen, zu verarbeiten und mehr zu lieben.

 

von Noah Borgard 24 Juli, 2017

Wie viele Leute es wahrscheinlich schon wissen: Ich habe vorher zwei Jahre lang in Köln gewohnt.

Wie viele Leute wahrscheinlich schon herauslesen konnten: Ich habe jede einzelne Sekunde davon gehasst. Und ich habe wirklich versucht es nicht zu hassen, schließlich sollte in dieser Stadt mein Leben beginnen und all meine Träume sollten endlich wahr werden. Haha.

Aber ja, ich habe mir die größte Mühe gegeben, diese Sache zum funktionieren zu bringen. Ich habe mir in den Arsch getreten, bin alleine rausgegangen, habe wirklich versucht Menschen kennenzulernen, diese Stadt kennenzulernen und mir ein Leben aufzubauen. Es funktionierte nur einfach nicht. Köln stieß mich ab, wie eine Teflonpfanne.

Ich hasste meine Wohnung, meine Nachbarschaft, die Menschenmengen, die Mentalität, ich hasste selbst die verdammte U-Bahn und irgendwann hasste ich einfach diese Stadt. Und zwar hasste ich es so sehr, dass ich jedes Mal sicherstellte einen gewaltigen Umweg zu laufen, wenn ich vom einkaufen wiederkam, nur um nicht zurück in meine Wohnung zu müssen. Manchmal verbrachte ich Stunden auf einer Schaukel eines nahegelegenen Spielplatzes, trank ein Bier, hörte Musik, rauchte Kette und sah besorgten Eltern dabei zu, wie sie ihre Kinder von mir wegzerrten. Ja, ich saß dort, wie so ein „extrem cooler“ Asi aus der Schulzeit, ohne, dass ich das auch nur ansatzweise so intendiert hätte. (Auch, wenn ich mir dabei verwegen und Emo as fuck vorkam)

Ich wollte schlicht und einfach nicht nach Hause. Denn sobald ich ein mal meine Wohnungstür hinter mir schließen würde, war es wie im Knast zu sitzen. Und glaubt mir, ich habe wirklich versucht dort weg zu kommen. Nur findet erst mal eine bezahlbare, schöne Wohnung in irgendeiner Stadt, die nicht gerade Castrop Rauxel ist. (An dieser Stelle Entschuldigung, an alle die aus Castrop Rauxel kommen aber es ist fast so, als wäre diese Stadt prädestiniert dazu, um sich über sie lustig zu machen) Zu allem Überfluss wollte ich meinen damaligen Freund nicht einfach verlassen. Gott, Liebe macht so blind.

In dieser gesamten Situation fiel mir erst mal auf, dass es alles andere als selbstverständlich ist, ein Zuhause zu haben. Man kann eine schöne Wohnung haben und sich trotzdem wie ein Eindringling in den eigenen vier Wänden vorkommen. Und vielleicht habe ich irgendwann einfach aufgegeben. Weder diese Stadt, noch diese Wohnung würden jemals mein „Zuhause“ sein. Ich war durch damit.


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